Vertikale Landwirtschaft ist längst mehr als ein Schlagwort aus der urbanen Zukunftsforschung. Sie entwickelt sich zunehmend zu einem praxisnahen Werkzeug für landwirtschaftliche Betriebe – gerade in Regionen mit hohem Flächendruck oder sich wandelnden klimatischen Bedingungen. Was heute noch mit „Vertical Farming“ oder „Urban Farming“ in Verbindung gebracht wird, hat das Potenzial, auch in ländlichen Regionen Einzug zu halten: als platzsparende Anbaumethode, die sich in bestehende Betriebsstrukturen integrieren lässt, wirtschaftlich sinnvoll ist und neue Ertragsmodelle schafft.
Was ist Vertikale Landwirtschaft – und warum wird sie relevant?
Der Begriff „Vertikale Landwirtschaft“ bezeichnet den Anbau von Pflanzen in mehreren übereinanderliegenden Ebenen – häufig in geschlossenen, kontrollierten Umgebungen, aber zunehmend auch in Gewächshäusern oder Folientunneln. Der Vorteil: Auf kleinster Grundfläche können deutlich höhere Erträge erzielt werden als im klassischen Freilandanbau. Besonders im vertikalen Gemüseanbau liegt enormes Potenzial – für Direktvermarkter, Hofläden, aber auch spezialisierte Gastronomiezulieferer.
Während große Vertical-Farming-Projekte oft stark technisiert und kapitalintensiv sind, entstehen inzwischen modular aufgebaute Lösungen, die sich gezielt an kleinere, regionale Betriebe richten – ohne gleich ganze Infrastrukturen umwerfen zu müssen.
Flächeneffizienz: Mehr Ertrag auf gleichem Raum
Ein zentrales Argument für vertikale Anbausysteme ist die maximale Flächenausnutzung. Wo klassische Anbaumethoden mit einer Ebene arbeiten, nutzt die vertikale Landwirtschaft den Raum in die Höhe. In geschützten Umgebungen wie Folientunneln lassen sich bis zu fünf Etagen aufbauen – etwa mit hydroponischen Rinnen, die auf mobilen oder stationären Gerüsten montiert sind.
Ein Praxisbeispiel: Ein Folientunnel mit einer Grundfläche von 100 m² kann im vertikalen System bis zu 500 m² Nutzfläche für den Anbau von Salaten, Kräutern oder Jungpflanzen bieten. Das bedeutet: mehr Ertrag, mehr Sortenvielfalt, weniger Fläche – ein echter Vorteil in Regionen mit hohen Pachtpreisen oder eingeschränkten Erweiterungsmöglichkeiten.
Zudem reduzieren sich bei indoor-basierten vertikalen Systemen äußere Einflüsse wie Wetterextreme, Bodenerosion oder Schädlingsdruck – was den Ernteertrag nicht nur erhöht, sondern vor allem stabilisiert.
Integration in bestehende Betriebsstrukturen
Für viele Gemüsebaubetriebe stellt sich die Frage: Wie passt vertikale Landwirtschaft zu meinem Betriebskonzept? Die gute Nachricht: Moderne Systeme lassen sich modular integrieren – etwa als Ergänzung zum bestehenden Freilandanbau oder zur Saisonverlängerung.
Vertikale Systeme sind besonders in folgenden Szenarien sinnvoll:
- Direktvermarktung: Höherwertige Produkte (z. B. Spezialsalate, Microgreens) können ganzjährig in kleinen Chargen produziert und lokal vermarktet werden.
- Jungpflanzenanzucht: Betriebe, die ihre Jungpflanzen bisher extern bezogen haben, können durch vertikalen Eigenanbau unabhängiger und flexibler werden.
- Gastronomiepartnerschaften: Die gleichmäßige Qualität und schnelle Verfügbarkeit aus vertikalen Systemen eignen sich hervorragend für die Belieferung von Restaurants oder Wochenmärkten.
Auch logistisch bietet der vertikale Gemüseanbau Vorteile: Kurze Wege, saubere Ernteprozesse, kein schwerer Maschineneinsatz – all das spricht für eine Integration in bestehende Betriebsflächen, insbesondere in Kombination mit Gewächshaus- oder Tunnellösungen.
Wirtschaftlichkeit und Amortisationszeiten: Lohnt sich das?
Die wirtschaftliche Frage ist zentral – und die Antwort lautet: Ja, wenn das System passt. Zwar sind die Investitionskosten für vertikale Systeme höher als für Freilandflächen. Gleichzeitig bieten sie schnellere Amortisationszeiten, sofern Betrieb und Absatzmarkt gut aufeinander abgestimmt sind.
Entscheidend sind dabei:
- Initialkosten: Für ein modulares System (z. B. auf 100 m² Grundfläche) liegen die Investitionskosten zwischen 15.000 und 40.000 €, abhängig von Technik, Steuerung und Automatisierungsgrad.
- Energie- und Wasserkosten: Bei hydroponischen Systemen im geschützten Anbau sind Wasserverbrauch und Düngemittelbedarf deutlich geringer als im Freiland. Je nach System lassen sich Einsparungen von 70–90 % erzielen.
- Arbeitsaufwand: Vertikale Systeme erfordern weniger Bodenbearbeitung, aber mehr Monitoring. Automatisierte Lösungen (z. B. für Nährstoffzufuhr oder Lichtsteuerung) senken den laufenden Aufwand deutlich.
- Amortisation: Bei gezielter Vermarktung (z. B. Jungpflanzen oder hochpreisige Sorten) amortisiert sich ein einfaches System oft innerhalb von 2–4 Jahren.
Der Schlüssel liegt in der Nischenbesetzung und Auslastung: Wer vertikale Systeme nicht als Massenproduktion versteht, sondern als spezialisierte, effiziente Ergänzung, wird schneller von der Investition profitieren.
Urban Farming als Impulsgeber – aber nicht nur für Städte
Oft wird Urban Farming als Triebfeder für vertikale Landwirtschaft genannt – zurecht, denn Platzmangel in Städten hat viele Innovationen hervorgebracht. Doch was in urbanen Räumen funktioniert, kann auch im ländlichen Raum Potenzial entfalten, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.
So können Betriebe in stadtnahen Lagen vertikale Systeme zur Belieferung regionaler Märkte oder Gastronomiebetriebe nutzen – mit dem Vorteil kürzerer Transportwege und höherer Frische. Auch im Rahmen von Bildungsprojekten, Integrationsinitiativen oder solidarischen Landwirtschaftsmodellen lassen sich platzsparende Anbaumethoden attraktiv einsetzen.
Zukunftsfähig ist nicht nur der Ort, sondern das System: Wenn regionale Erzeuger moderne Technik mit traditionellem Anbauwissen verbinden, entsteht eine nachhaltige, resiliente Produktionsform, die Umwelt und Markt zugleich berücksichtigt.
Fazit: Vertikale Landwirtschaft als Baustein für resiliente Betriebe
Die vertikale Landwirtschaft ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zur klassischen Gemüseproduktion – und genau darin liegt ihre Stärke. Sie ermöglicht es Betrieben, flexibel auf Marktveränderungen, Flächenknappheit und Klimarisiken zu reagieren. Wer frühzeitig investiert, sich beraten lässt und klein startet, kann langfristig davon profitieren.
Gleichzeitig eröffnet der Trend zum Vertical Farming auch neue Geschäftsmodelle – von der lokalen Jungpflanzenproduktion über Direktvermarktung bis hin zu Bildungs- und Kooperationsprojekten. Besonders spannend ist dabei der modulare Ansatz: Kein Betrieb muss sich vollständig umstellen, um vertikale Systeme sinnvoll zu nutzen. Hierzu gerne auch die Empfehlung, sich bei unseren Farm-Paketen umzusehen.
In Zeiten steigender Herausforderungen in der Landwirtschaft ist platzsparender, effizienter Gemüseanbau ein realer Lösungsbaustein – und vertikale Landwirtschaft liefert dafür die Struktur.
Quellen:
https://www.umsicht.fraunhofer.de/de/presse-medien/pressemitteilungen/2023/vertikale-landwirtschaft.html [29.05.2025]
https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/vertical-farming-gemuese-aus-der-stadt [29.05.2025]